Text 8
Fleißig und ordentlich
Vitamin. De hat junge Leute in der ostdeutschen Stadt Leipzig gefragt, was sie
über die typischen Klischees denken. Wie sind die Deutschen wirklich?
a) Die Deutschen sind pünktlich
Es stimmt, dass viele Deutsche Unpünktlichkeit nicht gut finden. Aber gerade
junge Leute sind oft unpünktlich. Ich, zum Beispiel, komme oft zu spät
irgendwohin. Und im öffentlichen Leben sind die Deutschen auch nicht immer so
pünktlich, vor allem deutsche Züge und manchmal auch Busse oder Straßenbahnen
kommen zu spät. Darüber ärgere ich mich dann auch. (Tina Kühne, 20 Jahre)
b) Deutsche benehmen sich schlecht im Urlaub
Es stimmt schon, dass sich einige Deutsche im Urlaub schlecht benehmen. Gerade
in den typischen Urlaubsorten wie Mallorca und der Türkei benehmen sich viele
schlecht. Ich glaube aber nicht, dass wir schlimmer sind als Touristen aus
anderen Ländern. Ich mache keinen Lärm und saufe auch nicht den ganzen Tag. Aber
generell benimmt man sich schon ein bisschen anders als zu Hause. Man ist ja
schließlich im Urlaub. (Benedikt Paetzholdt, 23 Jahre)
c) Die Deutschen haben keinen Humor
Nein, das stimmt nicht. Ich glaube nicht, dass es überhaupt Leute gibt, die gar
keinen Humor haben. Unterschiedliche Leute haben vielleicht unterschiedliche
Arten von Humor. Und wenn jemand den gleichen Humor hat wie man selbst, dann
passt es eben. Ich denke, das ist überall so, egal woher die Leute kommen. (Tommy
Kreuzberg, 21 Jahre)
d) Deutsche ziehen sich schlecht an
Ich finde, das stimmt. Wenn ich durch die Stadt gehe, denke ich oft: "Wie sieht
der denn aus?" Weiße Tennissocken und Sandalen – das geht gar nicht. Punkt. Und
viele könnten auch mal wieder zum Friseur gehen. Ich finde zum Beispiel, dass
sich die Leute in Frankreich mehr Mühe mit ihrer Garderobe und dem Aussehen
geben. Ich finde das Aussehen schon wichtig. Mir selbst macht Mode Spaß und ich
ziehe mich gerne gut an. (Claudia Schittelkopp, 25 Jahre)
e) Die Deutschen sind ordentlich
Ich finde solche Klischees immer ziemlich blöd. Eine Eigenschaft wie "ordentlich"
kann man nicht an Nationalitäten festmachen. Das hat doch etwas mit einzelnen
Personen zu tun. Ob ich selbst ordentlich bin? Nicht wirklich. Ich würde sagen,
dass ich organisiert bin, aber nicht unbedingt superordentlich. (Jella Bunke, 19
Jahre)
f) Deutsche sind sehr fleißig
Man sagt ja, dass Fleiß eine deutsche Tugend ist. Ich finde aber, dass so etwas
sehr individuell ist. Ich bin normalerweise eher faul. Aber wenn mir etwas
wichtig ist, kann ich auch sehr fleißig sein. Ich war für längere Zeit in Japan
und über die Japaner sagt man auch, dass sie besonders fleißig sind. Faulheit
wird dort tatsächlich als etwas sehr Negatives angesehen, noch mehr als in
Deutschland. Aber eigentlich ist es genauso wie in Deutschland: Es gibt sowohl
sehr faule als auch sehr fleißige Japaner. (Daniel Schulze, 23 Jahre)
g) Die Deutschen trinken viel Bier und essen Sauerkraut
Das ist ein komisches Klischee und ich wusste nicht, dass die Leute das immer
noch glauben. Natürlich trinkt man gerne Bier in Deutschland. Es gibt ja auch
viele Brauereien und wirklich gutes Bier. Trotzdem gibt’s auch Deutsche, die
kein Bier mögen. Ich trinke lieber Sekt oder Wein als Bier. Und Sauerkraut, na
ja, das isst man zu speziellen Gerichten, aber nicht jeden Tag. Ich weiß zum
Beispiel nicht, wann ich zuletzt Sauerkraut gegessen habe. (Yvonne Müller*, 22
Jahre)
*Name wurde von der Redaktion geändert
Texterläuterungen:
1. die Ahnung ( -en) – hier: Vorstellung, Gefühl, Gespür
2. sich ärgern über etw. (Akk.) – sich über etw. aufregen, mit etw. unzufrieden
sein
3. die Art (-en) – hier: Sorte, Kategorie, Klasse
4. auffallen – beachtet/bemerkt werden, ins Auge fallen
5. der Beamte (-n) – jmd., der beim Staat arbeitet; Staatsdiener, Funktionär
6. sich benehmen – sich verhalten/zeigen
7. die Brauerei (-en) – Fabrik, die Bier produziert/herstellt
8. festmachen, an jmdm./etw. (Dat.) – hier: verbinden, zurückführen, ableiten
9. sich (Dat.) Mühe geben, mit etw. (Dat.) – hier: sich anstrengen/kümmern
10. öffentlich – gesellschaftlich, allgemein
11. das Sauerkraut – klein geschnittener und konservierter Weißkohl
12. saufen – viel Alkohol trinken
13. die Schulden – das Geld, das man von jmdm. geliehen hat; finanzielle Verpflichtungen
14. sparsam – ökonomisch, wirtschaftlich, rationell
15. die Tugend (-en) – gute Eigenschaft, Qualität, Stärke
16. das Vorurteil (-e) – Stereotyp, Klischee
17. ziemlich blöd – relativ dumm/doof/unpassend